Seit April 2019 sind Greta und Michael von WhenSailing mit ihrem Segelboot ForTuna unterwegs. Nachdem sie entlang der Küste Italiens, Griechenlands, der Türkei, Zyperns, Israels, Frankreichs und Spaniens gesegelt sind, haben sie den Atlantik überquert und erkunden derzeit das Karibische Meer. Ihre Segeltörns haben Greta und Michael gezeigt, welche enormen Auswirkungen der Klimawandel auf das Meer, das Land und die dort lebenden Tiere hat. Der Schutz der unglaublichen Landschaften und Tiere, die sie während ihres Lebens auf See erleben durften, ist zu ihrem wichtigsten Ziel geworden.
Die Mission von WhenSailing ist es, umweltfreundlich von Land zu Land zu reisen, um das Bewusstsein für alternative Lebensstile und Nachhaltigkeit zu schärfen und gleichzeitig Organisationen auf ihrem Blog oder Instagram Profil vorzustellen, die gegen den Klimawandel und die Gefährdung von Tieren ankämpfen.
Als Greta und Michael gerade durch die Karibik segelten, konnten wir in einem Interview spannende Einblicke in ihr Leben auf dem Boot gewinnen.
Greta: Wir sind Greta und Michael und wir haben vor 3,5 – fast 4 Jahren entschlossen, ein etwas anderes Abenteuer zu starten, das sich vom Abenteuer in unseren Lebensstil umgewandelt hat.
Wie kam es dazu, dass ihr den Schritt gewagt habt, euren Lebensmittelpunkt auf ein Boot zu verlegen?
Greta: Wir haben damals in Finnland gelebt, wo ich meinen Masterstudiengang abgelegt habe und Michael den Segelschein gemacht hat, der 1,5 Jahre braucht. Wir haben auch beide aktiv in der Start-up-Szene dort gearbeitet. Es war leider etwas kalt für uns, weshalb wir uns dazu entschieden haben, dass das nächste unserer Abenteuer in wärmeren Gewässern stattfinden soll. Ich habe meinen Abschluss in Finnland gemacht und dann mussten wir entscheiden, was als Nächstes kommt. Uns hat schon immer eine große Liebe fürs Reisen verbunden – so haben wir uns auch in Italien bei der Arbeit kennengelernt. Wir wollten ein ortsunabhängiges Leben aufbauen, das uns erlaubt, so viel wie möglich zu reisen und sich frei zu bewegen. Da wir beide bereits eine kleine Segelerfahrung hatten und wir mitbekommen haben, dass auch andere Menschen auf Segelbooten leben, haben wir uns einfach mal in dieses Abenteuer reingestürzt.
Viele, die dieses Leben führen, haben sicherlich eine riesige Leidenschaft fürs Segeln. Wir machen es ebenfalls sehr gerne, aber es gibt auch Momente, in denen wir den Wind und die Wellen gerne meiden würden. In erster Linie sehen wir unser Segelboot ForTuna als Transportmittel, welches uns auf dem umweltfreundlichsten Wege an die unterschiedlichsten Orte auf der Welt bringen kann und uns gleichzeitig ein komfortables Zuhause gibt. Der Fakt, dass wir uns mit einem Segelboot mit dem Wind bewegen können, macht es zur nachhaltigsten Möglichkeit, die Welt zu bereisen. Dies und der Fakt, dass ein Segelboot eine gewisse Größe und Stauraum mit sich bringt, waren für uns sicherlich die Hauptgründe, warum wir uns für ein Segelboot, im Gegensatz zu einem Van oder einer Reise mit dem Flugzeug entschieden haben.
Michael: Genau. Und der Vorteil ist außerdem, dass wir auf dem Segelboot komplett autark sind. Durch Wind und Solar können wir unseren eigenen Strom generieren, welchen wir unter anderem für die Frischwasserproduktion benötigen. Lediglich Essensvorräte müssen wir an Land einkaufen und an Bord unterbringen. Das gibt uns die Freiheit, mit dem Wind und ohne Zeitdruck zur nächsten Destination segeln zu können.
Ist das Leben auf dem Boot so, wie ihr es euch vorgestellt habt?
Greta: Nein. Es ist in gewissen Aspekten viel schwieriger, als wir gedacht haben, in anderen Aspekten viel einfacher. Es geht also in beide Richtungen.
Michael: Zum einen ist man natürlich viel näher am Wetter und muss schauen, wo man zu welcher Zeit aufgrund der Bedingungen überhaupt sein KANN. Speziell auch jetzt hier in der Karibik mit der Hurrikan-Saison müssen wir sehr aufpassen. Das Wetter diktiert dein Leben viel mehr, als alles andere.
Greta: Aber auf der anderen Seite, wenn man so nahe an der Natur lebt, hat man auch immer wieder unerwartete und tolle Erlebnisse. Das sind so wahrscheinlich die zwei Extreme der Natur. Wir verbringen fast kein Frühstück, bei dem kein Delfin oder keine Schildkröte vorbeischwimmt. Solche Dinge sind wirklich unbezahlbar und bei einem normalen Leben an Land unvorstellbar, weil man nicht so nah an der Natur lebt.
Es gibt viele kleine Dinge, die man vorab nicht auf dem Schirm hat. Beispielsweise gibt es viel mehr zu bedenken, wenn wir unser Boot verlassen wollen, um zurück nach Italien oder in den Urlaub zu gehen: an die Marina, an technische Dinge am Boot oder an die Kosten. Wenn man eine Wohnung an Land hat hingegen, macht man einfach die Haustür zu und kann ganz ohne Sorgen losgehen.
Meine größte Angst war immer der Platz an Bord, aber wir haben nie Probleme damit. Ein Segelboot ist viel größer, als man es sich damals vorgestellt hat und viele Dinge, die man gewohnt ist zu haben, braucht man überhaupt nicht.
Michael: Das ist auch ein wichtiger Punkt beim Thema Nachhaltigkeit. Bei unseren Umzügen haben wir festgestellt, wie viele Kleider und Dinge man im Laufe der Zeit ansammelt. Jetzt auf dem Boot haben wir weitaus weniger Platz, sodass man teils auch gezwungen ist, weniger zu besitzen. Realisiert haben wir, dass wir aber auch gar nicht mehr als dies für ein glückliches Leben benötigen.
Greta: Wenn man in Städten lebt, ist man auch sicherlich unter größerem Einfluss, da man konstant mit neuen Sachen konfrontiert wird, die man vermeintlich braucht. Auf unserer ForTuna sehen wir das erst gar nicht. Bei uns schwimmen eher Schildkröten vorbei, als irgendwelche Marketing-Anzeigen.
WhenSailing steht für nachhaltiges Segeln und Reisen. Auf welche Aspekte möchtet ihr beiden aufmerksam machen?
Greta: Man verbindet ein nachhaltiges Leben leider ganz oft damit, dass man seine ganzen Gewohnheiten aufgeben muss und beispielsweise nur noch die Bio-Äpfel für den doppelten Preis kaufen darf. Unser Hauptziel war immer, aufzuzeigen, dass ein umweltschonendes Leben nicht so schwierig oder aufwendig ist, wie man denkt. Anfangs hatten wir ja auch nicht das perfekt nachhaltige Leben und bis heute noch immer nicht. Kleine Schritte in die richtige Richtung aber können schon vieles verändern. Ob das die Beauty Produkte sind, die man verwendet oder die Nahrungsmittel, die man zu sich nimmt, alle kleinen Sachen im Leben haben eine Auswirkung.
Sicherlich kommt auch der Segelbootaspekt in den Fokus, welcher noch viel eklatanter ist. Wir produzieren unseren Strom selbst, nutzen diesen dann für die Umwandlung von Salz- in Süßwasser und können mit dem Wind segeln. Das sind alles so schöne Aspekte, die zeigen sollen, dass viele kleine Dinge zusammen einen großen Impact haben können.
Außerdem zeigen wir auf der anderen Seite, wie wunderschön die Natur ist und wie viel wir uns darum Sorgen machen sollten, sie zu schützen.
“Es ist nicht so schwierig, wie wir es uns immer vorstellen, es muss auch nicht von heute auf morgen perfekt sein, aber schaut euch mal die wunderschöne Natur an. Sie verdient es sich, dass wir uns wenigstens ein bisschen darum Sorgen machen und uns jeden Tag ein bisschen anstrengen, auf sie aufzupassen!”
Michael: Genau! Ebenso mit den Nahrungsmitteln. Dadurch, dass wir immer irgendwo anders sind, haben wir keinen Supermarkt, Metzger oder Bäcker, den wir kennen. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, kein Fleisch und Fisch für unser Leben auf dem Boot zu kaufen. Wir essen ab und zu Fleisch und Fisch, wenn wir dann mal an Land sind, an Bord bereiten wir jedoch nur die Meeresfrüchte und die Fische zu, welche wir selbst gefangen haben. Aber auch hier versuchen wir mehr zurückzustecken und nicht mehr wöchentlich Fleisch und Fisch zu konsumieren, sondern vielleicht ein Mal im Monat zu einem besonderen Anlass.
Wie kann man sich ein Leben auf dem Segelboot finanzieren?
Greta: Wir haben das Leben auf einem Segelboot von Anfang an als Abenteuer und auch als Business Venture gesehen.
Michael: Ja. Wir sind nicht im Urlaub! Die meisten Leute denken, wir haben ein Leben lang Ferien. Aber eigentlich sitzen wir 6 oder 7 Stunden in der Kabine und arbeiten an unseren Computern. Auch zu Beginn, als wir noch im Mittelmeer waren, habe ich als Business Consultant für ein Start-up in Italien remote gearbeitet und bin nur ab und zu bei Kunden vor Ort gewesen. Mit Covid hat die Digitalisierung weiter stark zugenommen, was unserem Hauptziel, “Whensailing” aufzubauen, zugutekommt.
Greta: Von vorneherein haben wir versucht, eine Kombination aus Remote-Jobs, Social Media und alles, was uns das digitale Zeitalter zu Verfügung gibt, zu nutzen, um dieses Leben voranzubringen. Das soll nicht heißen, dass es einfach ist oder dass wir reich sind, wie sich viele vorstellen – überhaupt nicht! Es schaut sicher alles toll aus auf den sozialen Medien, aber ich würde selbst niemandem dieses Leben empfehlen. Wir leben von Monat zu Monat und mit dieser Unsicherheit dieses Lebensstils muss man erst mal umgehen können.
Seit Februar dieses Jahres ist es zum ersten Mal der Fall, dass wir beide keinen festen (Remote) Job haben. Die größte Schwierigkeit im Umstellen zu diesem Leben war nicht das Segeln oder das Bootsleben, sondern dieser Schritt, finanziell unabhängig zu sein und sich von Grund auf etwas aufzubauen. Das heißt noch lange nicht, dass wir es ausgearbeitet haben, aber wir sind immer noch hier auf unserer ForTuna – deshalb können wir wohl nicht allzu viel falsch gemacht haben.
Michael: Wir möchten uns auf WhenSailing fokussieren. Kürzlich erst haben wir ein E-Book veröffentlicht, um Menschen bei der finanziellen Planung eines Lebens an Bord zu helfen. Wir zeigen darin auf, welche Kosten auf einem Boot anfallen und stellen drei Möglichkeiten vor, wie man sich das Segelboot seiner Träume finanzieren kann.
Greta: Das Monetizing von WhenSailing haben wir schon länger versucht, aber erst seit diesem Jahr haben wir wirklich das Wissen erlangt, wie man dies richtig macht. Viele stellen sich das immer recht einfach vor mit den sozialen Medien, dass man von heute auf morgen berühmt wird und Geld damit verdient. Das ist sicherlich nicht so, es steckt viel Arbeit dahinter und ich hoffe, dass sich diese Arbeit dieses Jahr bezahlt macht.
Habt ihr Tipps für andere Menschen, die vorhaben, auf einem Boot zu leben?
Michael: Der beste Tipp ist sicherlich, dass man es einfach machen muss. Das Schwierigste ist, den Schritt zu machen von der totalen Sicherheit mit Einkommen und Wohnung zu diesem Ungewissen. Wir hatten vorher alles: eine schöne Wohnung, einen guten Job mit tollem Arbeitsklima und dann diesen Schritt ins Ungewisse zu wagen, ist bestimmt das Schwierigste, aber auch das Beste, was man machen kann.
Greta: Es hängt sicherlich auch von der Persönlichkeit ab. Wir haben das ja etwas überstürzt gemacht. Von der Idee bis zur Umsetzung waren es vielleicht 6 Monate. Andere bereiten sich darauf jahrelang vor, was überhaupt nicht falsch ist. Man sollte sich aber die Angst nehmen und einfach probieren. Wichtig zu verstehen ist: Wenn der Kontostand morgen wirklich auf 0 gehen sollte, dann müssen wir zwar zusammenpacken und das Boot verkaufen, aber haben vier wunderschöne Jahre auf unserer ForTuna erlebt. Der Vorteil vom Segelboot ist, dass man es aus zweiter Hand kaufen kann und in einem zweiten Moment auch wieder verkaufen kann. Es steckt ein gewisses Kapital im Segelboot selbst, welches einem die Sicherheit gibt, ohne größere Probleme wieder ins normale Leben zurückkehren zu können. Natürlich darf man das Boot aber auch nicht versenken! 😉
Möchtet ihr weitere Segelerfahrungen teilen, die ihr auf euren Törns erlebt habt?
Michael: Am besten sollte man immer mit dem Wind und mit den Wellen fahren und nicht dagegen ankämpfen. Wir sind im letzten Monat zum Beispiel von den Bahamas zurück zu den karibischen Inseln, wo wir gegen 30 Knoten Wind und gegen 5 – 6 Meter hohe Atlantikwellen gefahren sind. Das ist wahrscheinlich das Schlimmste, was man machen kann. Deswegen machen auch die meisten Leute die Weltumseglung in eine Richtung und fahren nicht zurück.
Greta: Im November 2020 haben wir den Atlantik von Osten nach Westen überquert. Es war eine super Erfahrung.
Michael: Wir waren ganze 21 Tage unterwegs und hatten drei Freunde mit an Bord. Da es eine sehr lange Reise ist, ohne jegliche Verbindung zur Außenwelt, ist man sehr viel mit sich selbst beschäftigt. Viele Menschen können das heutzutage gar nicht mehr.
Greta: Ich glaube, eine Atlantiküberquerung ist gerade für Generation Y und Z interessant. Wir machen uns heutzutage das Leben gern so einfach wie möglich – was auch super sein kann, aber es ist sicherlich gut, ein Projekt anzufangen und dann auch durchzuziehen. Mitten auf dem Atlantik kann man es sich nicht einfach anders überlegen und auf halber Strecke umkehren. Das war sicherlich positiv UND negativ.
Michael: Bei diesem Abenteuer hatten wir im Gegensatz zu unserem Törn von den Bahamas in die Karibik sehr angenehme Wetterbedingungen und konnten eine unvergessliche Zeit verbringen. Zwei Tage sogar hatten wir gar keinen Wind, sodass der ganze Ozean richtig flach war und man in das 2000-3000 Meter tiefe Wasser springen und ums Boot schwimmen konnte. Das war sicher einer der schönsten Erfahrungen.
Greta: Das war auch einer meiner größten Wünsche, bei der Überquerung des Atlantiks inmitten vom Nichts zu schwimmen. Um es etwas in Perspektive zu setzen: Wenn man im Atlantik ist und wenig Wind hat, dann springt man oft ins Wasser, aber muss sich an einem Seil festmachen, welches mit dem Boot verbunden ist. Wir aber hatten das Glück, dass wirklich gar kein Wind und keine Welle für über 24 Stunden war. Die Blautöne, die man dort sieht, waren einfach einzigartig und wunderschön.
Was steht bei euch als Nächstes an? Habt ihr vor, diesen Lifestyle auf unbestimmte Zeit so fortzuführen?
Michael: Schwierig zu sagen. Anfangs hatten wir den Plan für zwei Jahre. Wir genießen unser Leben an Bord sehr, aber man kann schwer sagen, wo es hingeht und wie lange es weitergeht. Da man mit dem Segelboot stark von Wind und Wetter abhängig ist, kann man schwer in die Zukunft sehen. Wir müssen erst mal die Hurrikan-Saison in den nächsten zwei bis drei Monaten gut überstehen. Danach werden wir entscheiden, ob wir noch ein Jahr hierbleiben, in den Pazifik fahren oder nach Europa ins Mittelmeer zurückkehren.
Greta: Es hängt natürlich auch alles vom Finanziellen ab. Wir haben keinen Trust Fund, der auf uns wartet oder sonst etwas in der Richtung. Wir haben sicher vor, weiterhin unser Segelleben beizubehalten, aber wir müssen eben schauen, wie wir uns das leisten können. Seitdem die zwei ersten Jahre um sind, die wir geplant hatten, ist das Leben auf dem Segelboot zu unserem Lebensstil geworden. Wir versuchen die nächsten Monate vorzuplanen, aber wir können auch einfach nicht weiter als das.
Habt ihr eine “Traumdestination”, zu der ihr noch unbedingt segeln wollt?
Michael: Eine absolute Traumdestination, die wir gerne ansteuern wollen würden, ist Französisch-Polynesien. Der Weg in den Pazifik ist jedoch ein weiter und man ist umso mehr von allem abgeschottet. Wir werden sehen – ein konkreter Plan steht aber bislang noch nicht.
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